Gewaltlose politische Gefangene aus Papua/Indonesien sind wieder in Freiheit
Seit dem Jahre 2005 setzte sich Amnesty International für die Freilassung des ehemaligen Beamten Filep Karma und des Studenten Yusak Pakage ein, die am 1. Dezember 2004 an einer friedlichen Zeremonie in Abepura in der indonesischen Provinz Papua teilgenommen hatten und deswegen im Mai 2005 wegen Landesverrats und staatsfeindlichen Verhaltens zu einer Haftstrafe von 10 bzw. 15 Jahren verurteilt worden waren.
Sie gehörten zu einer Gruppe von etwa 200 Menschen, die am 1. Dezember 2004 im Gedenken an die Unabhängigkeitserklärung Papuas im Jahre 1962 friedlich demonstrierten und dabei die Morgenstern-Flagge – ein verbotenes Symbol der Unabhängigkeitsbewegung Papuas – hießten. Daraufhin ging die Polizei mit Schlagstöcken gegen die Gruppe vor. Filep Karma wurde festgenommen und unter den Paragrafen 106 und 110 des indonesischen Strafgesetzbuchs angeklagt. Am 26. Mai 2005 verurteilte man ihn zu 15 Jahren Haft.
Amnesty International machte diesen Fall öffentlich und machte die beiden Gefangenen damit zu den weltweit bekanntesten Menschenrechtsverteidiger und Gewissensgefangenen aus der Region.
Sie stehen stellvertretend für hunderte weitere gewaltlose politische Gefangene, die in Papua/Indonesien deswegen inhaftiert worden sind, weil sie von ihrem Menschenrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch genommen haben.
Weltweit sammelte Amnesty International Unterschriften für ihre Freilassung. Auch die Schwelmer Gruppe von Amnesty International beteiligte sich an dieser Unterschriftenaktion und sammelte gezielt noch einmal 10.000 Unterschriften, die gesammelt zum indonesischen Staatspräsidenten nach Jakarta geschickt wurden.
Auch besuchte ein Gruppenmitglied der Schwelmer Amnesty-Gruppe im September 2008 die Gefangenen im Gefängnis in Abepura und erkundigte sich für die Schwelmer Amnesty-Gruppe über ihren Zustand im Gefängnis.
Amnesty International setzte sich für die bedingungslose Freilassung der beiden gewaltlosen politischen Gefangenen ein. Wohingegen Yusak Pakage, der zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden war, nach fünf Jahren und auf weltweiten öffentlichen Druck durch den Staatspräsidenten Yudhoyono begnadigt wurde und am 7. Juli 2010 wieder freigelassen wurde, musste Filep Karma noch weiter seine Haftstrafe im Gefängnis von Abepura verbringen.
Die Gefangenen sind zwei von unzähligen gewaltlosen politischen Gefangenen in dem seit 1963 zu Indonesien zählenden westlichen Teil der Neuguinea-Insel.
Die Inhaftierung von Filep Karma bedeutete ein ständiges Auf und Ab der Hoffnung für seine Freilassung. Zwischenzeitlich erkrankte Filep Karma an einer Krebserkrankung und der indonesische Staat untersagte ihm eine notwendige Operation im fernliegenden Jakarta. Erst mit mehrmonatiger Verzögerung konnte diese Operation, nachdem Amnesty International erneut eine Eilbriefaktion für Filep Karma startete, erreicht werden.
Darüber hinaus drohte ihm zeitweise Folter im Gefängnis, nachdem er als Streitschlichter für andere Gefangene eingetreten war und diese friedliche Einmischung der Gefängnisleitung nicht genehm war.
Am 19. November 2015 kam er endlich frei.
Die Schwelmer Gruppe Amnesty International dankt allen, die sich für die Freilassung von Filep Karma engagiert haben.
Zur Chronologie:
1.Dezember 2004: Am Rande einer friedlichen Demonstration in der Stadt Abepura in der indonesischen Provinz West-Papua werden Yusak Pakage (Student) und Filep Karma (ehem. Regierungsbeamter) wegen des Hissens einer Papua-Flagge wegen “Landesverrats” verhaftet.
Mai 2005: Ein Gericht verurteilt Filep Karma zu 15 Jahren und Yusak Pakage zu 10 Jahren Gefängnis. Damit werden für dieses Delikt die höchsten Gefängnisstrafen seit der Übernahme Papuas durch Indonesien im Jahre 1964 verhängt. Es laufen weltweit Unterschriftenaktionen gegen diese Verurteilungen an.
In den Folgejahren gehen in Jakarta tausenden Unterschriften und Protestschreiben zur Freilassung der beiden Gefangenen ein. Öffentliche Aktionen von Menschenrechtsaktivisten führen zu einer gewissen Prominenz von Yusak Pakage und Filep Karma, die stellvertretend für unzählige weitere gewaltlosen politischen Gefangenen ihres Landes stehen.
24.September 2008: Traurige Bekanntheit erlangt Ferdinand Pakage, ein Mitgefangener von Yusak Pakage und Filep Karma, in dem ihm durch einen Gefängniswärter ein Auge zertrümmert wurde. Ferdinand Pakage sitzt seit dem Jahre 2006 als gewaltloser politischer Gefangener nach einer Protestaktion in Abepura im Gefängnis von Abepura.
20.März 2009: Yusak Pakage wird mit einer Reihe anderer politischer Häftlinge vom Gefängnis Abepura ins Gefängnis Doyo Baru (im Westen von Sentani) verlegt. Grund: Er hätte einen Wärter geschlagen. Pakage hat bereits mehrmals beklagt, dass er von Wärtern geschlagen wird. Sechs seiner ihm zur Hilfe gekommenen Freunde sind auch in das Sentani-Gefängnis verlegt worden.
August 2009: Filep Karmas Gesundheitssituation im Gefängnis von Abepura zeigt sich sehr besorgniserregend. Er leidet an einer Krebserkrankung und muss auf Anraten von Ärzten zur Behandlung in eine Klinik nach Jakarta geflogen werden. Doch bisher haben die verantwortlichen Stellen nur unzureichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um eine angemessene medizinische Versorgung für Filep Karma zu gewährleisten. über ein dreiviertel Jahr wartet der prominente politische Gefangene auf eine Überführung nach Jakarta. Der indonesische Staat weigert sich, für die anfallenden Kosten aufzukommen. Die Kosten müssten entsprechend der Gouverneursregulation Nr. 6/ 2009 vom staatlichen Krankenversicherungsprogramm Jamkesmas finanziert werden, das die medizinische Versorgung von armen Bevölkerungsgruppen sichern soll. Doch bürokratische Hürden ließen den erkrankten Karma monatelang Briefe schreiben und warten.
November 2009: Amnesty International erreicht die Nachricht, dass auch Yusak Pakage im Gefängnis in Doyo Baru, wo er unter den Haftbedingungen zusehends leidet, medizinische Hilfe verwehrt wird. Seitdem Yusak Pakage und Filep Karma in das fern liegende Drogengefängnis Doyo Baru verlegt worden war, genießen sie noch nicht einmal mehr tagsüber im Wege des „Offenen Vollzugs“ Freigang, was ihnen vor der Verlegung noch gewehrt worden waren. Sie sind von der Außenwelt abgeschnitten.
5.Februar 2010: Erst jetzt erhielt Filep Karma einen Teil der anfallenden Kosten durch die Provinzregierung zugesagt. Der stellvertretende Gouverneur Papuas, Alex Hesegem, überreichte dem politischen Gefangenen persönlich 40 Millionen Indonesische Rupiah in bar im Gefängnis. Nach Berechnungen der Nichtregierungsorganisation „Solidaritas Korban Pelanggaran HAM Papua“ (Solidarität mit den Opfern von Menschenrechtsverletzungen in Papua) belaufen sich die Gesamtkosten einer Behandlung in Jakarta aber auf über 98 Millionen Indonesische Rupiah (ca. 8.000 Euro). Der indonesische Staat weigert sich weiter, für die vollständigen Kosten, die die medizinische Versorgung in Jakarta sowie Transport- und Unterkunftskosten für Filep Karma, einen Familienangehörigen, einen Gefängniswärter und einen Polizisten beinhalten, aufzukommen. Informationen zufolge soll die Familie Filep Karmas einen Teil der Kosten selbst tragen. „Solidaritas Korban Pelanggaran HAM Papua“ sammelt Spenden für die Überführung Filep Karmas nach Jakarta.
Mai 2010: Die britische Amnesty-Sektion überreicht anlässlich des fünften Jahrestages der Verurteilung der beiden Gefangenen weitere über 3.500 Unterschriften an die indonesischen Regierung.
Juni 2010: Endlich scheint der Durchbruch geschafft und Filep Karma darf zur medizinischen Behandlung seines schweren Gesundheitsschadens in einem Krankenhaus in Jakarta behandelt werden.
7.Juli 2010: Yusak Pakage wird nach fünfeinhalbjähriger Haftzeit von dem indonesischen Staatspräsidenten begnadigt aus dem Gefängnis Doyo Baru entlassen. Weiterhin sitzen neben Filep Karma noch unzählige weitere gewaltlose politische Gefangene in Gefängnissen der indonesischen Provinz Papua. Darunter auch Ferdinand Pakage, dem im Jahre 2009 durch einen Wärter ein Auge zertrümmert wurde und der auf medizinische Hilfe angewiesen ist.
4.Dezember 2010 Buchtar Tabuni, ein Mitgefangener von Filep Karma, der zu drei Jahren Gefängnis wegen der Beteiligung an einer Demonstration inhaftiert ist, und Filep Karma werden gemeinsam mit drei weiteren politischen Gefangenen in die Polizeistation von Jayapura verlegt, nachdem es am 3. Dezember einen Aufstand im Gefängnis von Abepura gegeben hat. Berichten zufolge haben Karma und Tabuni zwischen Gefangenen und Gefängnisleitung vermittelt. Beiden wurden in den ersten Tagen nach ihrer Einlieferung in die Polizeistation der Zugang zu Rechtsanwälten und der Kontakt mit ihren Familien verwehrt. Sie bekamen erst nach langer Zeit zu Essen.
7.Januar 2011 Buchtar Tabuni wird in eine Isolationszelle verbracht. Es besteht das große Risiko von Folter. Tabuni und Karma werden weiterhin ohne Anklage und ohne Schuldvorwurf auf der Polizeistation festgehalten und erst nach Wochen wieder aus der Isolationshaft entlassen.
August 2015 Die Freilassung von Filep Karma zeichnet sich ab, nachdem der neue indonesische Präsident Joko Widodo Schritte, die auf eine Abwendung von den repressiven Maßnahmen früherer Regierungen hindeuten, nach einem Besuch in der Provinz Papua und West-Papua andeutete. Unter anderem ließ er fünf politische Aktivisten frei, die nach unfairen Verfahren und auf Grundlage von durch Folter und anderweitiger Misshandlung erzwungenen “Geständnissen” zu Haftstrafen verurteilt worden waren. Außerdem kündigte er Begnadigungen und Amnestien für weitere in Indonesien inhaftierte politische Aktivistinnen und Aktivisten an. Joko Widodo erklärte zudem, dass die Behörden Einschränkungen gegen ausländische Journalistinnen und Journalisten aufheben würden, sodass sie nach Papua einreisen, sich frei bewegen und über die Region berichten können.
19.November 2015 Filep Karma wird nach fast elf Jahren Haftzeit endlich freigelassen.
Mai 2017: Filep Karma besucht erstmalig Deutschland und dankt in Schwelm bei einer Veranstaltung von Amnesty International allen, die sich für seine Freilassung engagiert haben.
Wir danken allen, die sich für die Freilassung von Filep Karma eingesetzt haben und uns beim Sammeln von über 10.000 Unterschriften unterstützt haben.
Amnesty International fordert, auch alle anderen gewaltlosen politischen Gefangenen in Papua/Indonesien freizulassen.